Ein „Demokratierettungspakt“ ist nötig

Ein Text von Werner Wittayer

SPD Elz appelliert an alle demokratischen Parteien

Vor mehr als 2300 Jahren hat der weise griechische Philosoph Aristoteles vor dem Verfall der Politie (gleich Demokratie) in eine Ochlokratie, d.h. die Herrschaft des Pöbels gewarnt. In seiner Lehre vom Kreislauf der Herrschaftsformen bezeichnet er diese „Herrschaft des wilden Haufens“ als Verlust der Freiheit, Gleichheit und der politischen Vernunft. Es herrsche ein Autoritäts- und Funktionsverlust des Staates. Ohne den Blick auf das Gemeinwohl versuchten einzelne Gruppen hemmungslos ihre finanziellen und machtpolitischen Interessen durchzusetzen. Die Folgen seien Anarchie, der Zerfall der staatlichen Ordnung und letztendlich der Ruf nach dem „starken Mann.“

Unsere Vorfahren haben diese Erfahrung in den Jahren 1933 bis 1945 gemacht. Wer denkt, die Menschheit habe aus der Machtergreifung des Nazi-Pöbels gelernt, sieht sich spätestens seit einigen Jahren eines Besseren belehrt.

 

Der demokratiefeindliche „Trumpismus“ infiziert den Westen

In der ältesten Demokratie gewinnt Donald Trump, ein erklärter Demokratiefeind, in Korruption und Sexaffären verwickelt, mit Lügen und aggressiven Verleumdungen 2016 die Präsidentenwahl. Trotz Verurteilungen und ständigen Gerichtsverfahren  will er 2024 wieder in das Weiße Haus einziehen. Gerade hat er die Vorwahlen in Iowa gewonnen. Eine zweite Amtsperiode würde noch furchtbarer.

In vielen Staaten findet er Nachfolger, auch in Europa. Hier gibt es die Orbans, Le Pens, Melonis und Erdogans. In Deutschland sind es die AfD-ler Höcke, Gauland und Weidel. Diese Partei, welche als extrem rechtsextremistisch und neofaschistisch eingestuft werden darf, sagt offen, dass sie das politische System verändern will, bedient sich bedenkenlos des Vokabulars der Nazis und fordert neuerdings unter Verwendung des Begriffs „Remigration“ die Deportation von Millionen Asylbewerbern, Gastarbeitern und Bürgern mit doppelter Staatsangehörigkeit. Erschreckend ist, dass solche Handlungen, Aussagen und antidemokratischen Programmatiken immer mehr in die bürgerliche Mitte eindringen und nur  selten zu einer Gegenreaktion der breiten Mehrheit führen. Das ist für alle bürgerlichen Parteien katastrophal, extrem aber für die SPD.  Die stolze Vorkämpferin für Freiheit und Gleichheit wird immer mehr in ein Umfragetief gerissen.

 

Rechtsextreme, aber auch Linksextreme gewinnen an Zustimmung

Das Verstörende und Unbegreifliche ist, dass die Rechtsextremisten, die sich teilweise mit Neonazis vermischen, dabei sind, Mehrheiten zu gewinnen. Sie profitieren von den offensichtlichen handwerklichen Schwächen und dem unakzeptablen Dauerstreit der Ampelregierung sowie der schwachen Außendarstellung des Bundeskanzlers. Ohne eigene Konzepte schlagen die Rechtsaußen in äußerst aggressiver und beleidigender Form auf Kanzler und Minister ein. Dabei werden sie von den Konservativen und Journalisten, die ununterbrochen in den Talkshows und Medien auf die Regierung eindreschen, unterstützt. Noch destruktiver und intoleranter sind die Hetzkampanien, Verschwörungstheorien, Drohungen und persönlichen Diffamierungen im Internet. Dort zeigt sich deutlich der Verfall in eine „Pöbelherrschaft“. In dieser digitalen Gosse vergessen die Kritiker oft, dass - von der unmittelbaren Nachkriegszeit einmal abgesehen - keine Regierung so sehr mit einer fast unlösbaren Anhäufung von Kriegen, Klimakrisen, Migrationsproblemen, Wirtschaftsrezessionen zu kämpfen hat, wie die gegenwärtige.

Beunruhigend ist auch, dass im linken Parteispektrum mit der Gründung des „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW) eine neue Gruppierung auftritt, die ebenfalls einen Systemwandel propagiert und in ihrer Putin-freundlichen Programmatik sehr fragwürdige Allianzen offenbart. Somit scheint unsere Demokratie auch von der Linken attackiert zu werden. Das erinnert fatal an das Ende der Weimarer Republik, die von rechts und links zerstört wurde.

 

Statt Dauerstreit brauchen wir einen Pakt der demokratischen Parteien zur Festigung und Erhaltung der Demokratie

Angesichts des Höhenflugs der AfD und der vorausgesagten Stimmen für die Wagenknecht-Partei (BSW) – zusammen könnten sie bei den Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen fast absolute Mehrheiten erreichen – müssen bei den demokratischen Parteien und in der bürgerlichen Mitte sämtliche Alarmglocken schrill läutern.

 Die von diesen Parteien bewusst betriebene Destabilisierung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung muss entschiedener und geschlossener bekämpft werden. Das muss kein Verzicht auf Kritik und Opposition bedeuten. Diese müssen aber konstruktiv und lösungsorientiert sein. Der Dauerstreit in der Ampel und ebenso die Attacken von  Merz, Söder, und Aiwanger im Bildzeitungs-Jargon müssen im übergeordneten Interesse beendet werden. Die großen Parteien sollten trotz ihrer Differenzen in den Tagesfragen gemeinsam für den Erhalt unserer freiheitlichen Verfassung streiten. Auch die permanent agitierenden Negativjournalisten und die Hetzer in den sozialen Medien müssen bei allem Respekt vor der Meinungsfreiheit zu mehr Verantwortungsbewusstsein, gegenseitiger Achtung und fairer Argumentation veranlasst werden.

 

Von allen aufrechten Demokraten muss bundesweit ein Demokratiepakt geschmiedet werden. Der Erhalt der Werte unserer Verfassung muss über dem Machtstreben der Parteien stehen. Gemeinwohl geht vor Partei- und Verbandswohl. Hoffnungsvoll stimmt es, dass am 20./21.Jan. Hundertausende Bürger*innen auf die Straße gingen. Auch in Limburg waren es eindrucksvolle Dreitausend. Diese Demontrationen müssen fortgesetzt werden.

Wir sind eine „wehrhafte Demokratie“. Geschlossen müssen alle Anhänger der Menschenrechte und der Ideale Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Politik sowie in den Medienanstalten und in der veröffentlichten Meinung diese Errungenschaften der Moderne verteidigen. Es gilt der Grundsatz: “Keine Freiheit den Feinden der Freiheit“. Das Ende von Weimar darf sich nicht wiederholen.

 

Wie kann man die Extremisten eindämmen?

Um die Radikalisierung unserer Gesellschaft einzudämmen, sollten die in Bund und Ländern Regierenden folgende Aufgaben bewältigen:

Entscheidend ist eine bessere Politik, die sich an diesen Verhaltensregeln orientiert:

  1. Nur verlässliches und glaubwürdiges Handeln überzeugt die Bürger*innen.

    Handwerkliche Fehler und Dauerstreit sind zu vermeiden.

  1. Entscheidungen und Beschlüsse der Regierung und des

    Parlaments müssen verständlicher erklärt und kommuniziert werden.

    Dies gilt vor allem für den Kanzler.

  1. Den Bürger*innen müssen Lösungen und Ergebnisse

   präsentiert werden, die eine weitere Spaltung der Gesellschaft verhindern

   und Sicherheit vermitteln, z. B. beim Klimaschutz und der

   Migrationsproblematik.

  1. Die Amts- und Funktionsträger in Berlin müssen mehr Präsenz zeigen.

   Sie müssen raus aus ihrer Blase und Großdemonstrationen anführen.

  1. Mit einer überzeugenden Politik der sozialen Gerechtigkeit und

   Nachhaltigkeit kann man der Gesellschaft auch etwas zumuten, wenn

   man sie ernst nimmt und ihre Vertreter entsprechend einbindet.